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Die Moderne in der Überwachungslücke für das Jenaer Paradies
 
Thomas Stridde,
erschienen in der TLZ Jena am 13.10.2023

Nachruf auf Friedhelm Schubring, Architekt des „Glashauses im Paradies“. Weshalb er froh war, dass aus seinen Stadtzentrum-Entwürfen nichts wurde.


Friedhelm Schubring ist tot. Der Architekt, der mit dem Entwurf des „Glashauses im Paradies“ in die Stadtgeschichte einging, verstarb vor vier Wochen am 14. September im Alter von 79 Jahren. Das hat auf Anfrage Schubrings Bruder Gerd (84) bestätigt, der ebenfalls Architekt von Beruf ist.

Ein Hauch Weltausstellung
Der Glaspavillon war 1974 als Mehrzweckgebäude konzipiert worden; es sollte sich ins Gesamtbild einfügen, als die Rasenmühleninsel zum Kultur-, Sport- und Erholungspark umgestaltet wurde. Die Fachwelt bescheinigte Schubring später, dass er sich mit dem Gebäude stark an die Tradition der klassischen Moderne angelehnt habe, insbesondere an Mies van der Rohe und dessen Pavillon zur Weltausstellung Barcelona 1929 wie auch an Bauhaus-Begründer Walter Gropius. Die Architektur besteche durch Großzügigkeit, Offenheit und Leichtigkeit sowie klar strukturierte Kompaktheit. 2005 gründete sich der Verein „Glashaus im Paradies“, dessen Anliegen die Bewahrung des architektonischen Kleinodes ist. Nach der Wende war es unter Denkmalschutz gestellt worden.

Drei Kreuze gemacht
„Wir haben uns immer gewundert, dass der Auftrag damals so gestattet wurde und kein Einfluss durch staatliche Stellen erfolgte“, sagt Gerd Schubring. „Das hätte aus staatlicher Sicht verboten werden müssen; das war keine sozialistische Architektur, nicht mal im Ansatz. Das war ein Glücksfall; da gab’s ‘ne Überwachungslücke – ganz klar.“ Gerd Schubring berichtete von anderen Arbeiten seines Bruders im Stadtplanungsamt, hier insbesondere die geplante Neuentwicklung des Stadtzentrums, die noch mehr Eingriff in alte Bausubstanz vorsah, als es Alliierten-Bombardements und Abrisse zugunsten des Uni-Turmes eh schon bewirkt hatten. „Im Nachhinein hat er drei Kreuze gemacht, dass die eigenen Entwürfe nicht umgesetzt wurden“, sagte Gerd Schubring.

Selbst hat Friedhelm Schubring zu seinem „Paradies-Beitrag“ vor vielen Jahren in einem Brief an den Glashaus-Verein
Hintergründe beschrieben: „Aber einen hintersinnigen zusätzlichen Gedanken hatten wir auch noch. Es war eine Zeit, in der wir gern gemeinsam feierten, redeten, viel tranken und tanzten. Räumlichkeiten dazu waren nicht vorhanden. Man konnte zwar in ein Restaurant gehen, war dort aber nie allein und musste für zu Verzehrendes Gaststättenpreise bezahlen. Zu Hause war bei niemandem genug Platz, und man musste auf die Nachbarn Rücksicht nehmen, ebenso im Büro. Solch ein Gebäude jedoch war ideal auch für private Feiern! Man brachte alles mit, was benötigt wurde, hatte eine kleine Küchenzeile zur Verfügung...“

Spinnenbeine übernommen
Schubring hatte 1970 in Weimar sein Architekturstudium beendet „und war, wie jeder ,Weimaraner’, ein Fan von Gropius, Mies und Richard Neutra“, heißt es in seinem Brief. „Letzterer hatte mich ganz besonders beeindruckt, mit seiner Art, in der kalifornischen Wüste und in der Nähe von Los Angeles Villen zu bauen. Von ihm sind die ,Spinnenbeine’ übernommen – auch bei der Kegelbahnüberdachung.“

Parteisekretär sah Rot
Auch Gerhard Schubring, Vater von Gerd und Friedhelm, war Architekt und hat Spuren in Jena hinterlassen. So etwa mit dem Entwurf des Jenapharm-Verwaltungsgebäudes. Weil dessen Besonderheit in der farbigen Gestaltung lag, soll der Parteisekretär damals Sorge geäußert haben, dass sein Zimmer rot gestaltet werden könnte. Es kam anders.

„Architekten, die wirklich etwas entwerfen, waren da ja gar nicht gebraucht“, sagt Gerd Schubring über die DDR und das damalige Jena. Er selbst feierte gerade 50. Jahrestag seiner Flucht im Ankerkasten eines Containerschiffes von Ost- nach Westberlin.

 
schubring

Friedhelm Schubring vor vielen Jahren, aber schon nach der Wende beim Besuch „seines" Glashauses im Paradies.

 
 
 
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